1. Szene
Untertauern 1946
Ein Wiener Gast ist mit dem Zug in Radstadt angekommen. Er fährt mit dem Bus Richtung Untertauern und kommt zum Hammerwirt.
Dort erkundigt er sich, wie er nach Obertauern kommt, er möchte zum Seekarhaus zurück und dort mit Freunden eine Schitour machen.
Rupert Kocher erklärt ihm, dass heute kein Transport zur Passhöhe möglich ist, da der Fuhrwagenfahrer heute noch Vater wird und er bei seiner Frau zuhause sein muss.
Außerdem ist der Weg auf den Tauern noch nicht fertig ausgebessert. Die Steinklopfer Franzei und Hias werden aber heute Nacht noch fertig.
Rupert Kocher bietet dem Gast Unterkunft und Verpflegung an. Er kann im Stall mit einem Strohsack schlafen und mit ihnen am Tisch gemeinsam Abendbrot und Frühstück einnehmen.
Der Gast ist anfangs skeptisch und später entsetzt, nachdem er sich doch entschlossen hat, das Angebot anzunehmen. Es gibt weder Besteck, noch Teller für ihn. Aus einer Schüssel essen sie gemeinsam eine seltsame, undefinierbare Speise (Knödel). Es wir geschlürft und geschmatzt, keine Tischmanieren. Rosa Lengdorfer erscheint am frühen Abend und möchte die Milch abholen. Sie wird im Ort nicht so recht akzeptiert, da sie vor einem Jahr von der Steiermark mit ihrem Mann hierher gezogen ist und ein wenig anders ist als die Einheimischen. Die Zuagreiste kommt schon wieder die Milch abholen. Am Abend will der Gast ein Buch lesen und als er gesagt bekommt, dass es kein Licht gibt, verschwindet er ziemlich verärgert in den Stall, um dort mit einem Strohsack seine Nacht zu verbringen. Mit dem Hahnenschrei wacht der Gast früh morgens auf, verspannt, nicht gut gelaunt sitzt er mit Rupert Kocher und seinen Arbeitskräften am Tisch. Voller Erwartung fragt der Gast, wann der Fahrer auf den Pass fährt. Nachdem Rupert Kocher ihm erklärt, dass nur sein Gepäck nach oben gebracht wird und er selber zu Fuß gehen muss, kann er sich nicht mehr beherrschen und beginnt zu brüllen und zu fluchen.
Resignierend nimmt er seine Tourenski auf den Rücken und macht sich auf den Weg zur Passhöhe.
Schild 1946, Musik (Hubert von Goisern: Heast as nit, wia die Zeit vergeht)
Gast: (erschöpft, beim Rupert Kocher Hammerwirt ankommend):
Guten Tag! Kann mir mal jemand von hier verraten, wie weit es nach Obertauern ist.
Wann fährt der nächste Bus nach oben? Ich muss dringend auf den Pass zum Seekar zurück, weil ich Freunde aus Kärnten dort treffe, um mit ihnen eine Skitour zu machen.
Rupert: Na, heut` fährt kein Fuhrwerk mehr auf den Pass. Der Hans wird heute noch Vater, z`haus liegt seine Frau im Bett und kriegt ihr erstes Kind.
Außerdem sind die zwei Steinklopfer der Franz(ei) und der Hias noch nicht ganz fertig mit dem Ausbessern des Schotterweges. Weil über die Löcher kommt kein Wagen, ohne dass die Räder brechen Ein paar Löcher müssen sie noch ausbessern. Bis morgen werden sie schon fertig werden.
Hias zum Franzei: Und bis morgen sollen wir fertig sein. Der Hammer Ruap hat gesagt, so ein Wiener ist wieder bei ihm, der sein Gepäck morgen unbedingt am Pass oben haben möchte. Der ist schon ganz grantig, weil er heut nicht mehr auf den Tauern kann.
Franzei: Wie der Rupert sich das vorstellt, möchte ich gerne wissen! Wie sollen wir das alles schaffen.
Beide: Bei klick und klack,
und krach und bum,
heut Nacht gehts um.
Jeder muaß sagn,
Steinklopfer muaß ma haben.
Gast: Was soll ich jetzt tun? Wo soll ich hin?
Rupert: Wir sind zwar kein Hotel, aber wenn du willst kannst du hier bleiben. Einen Platz im Stall haben wir immer. Einen Strohsack kriegst auch und essen kannst du mit uns auch.
Gast: Was, schlafen muss ich im Stall, auf einem Strohsack?
Rupert: Ja, was besseres haben wir nicht. Willst du jetzt bleiben, oder nicht?
Gast: Na gut! Eine Nacht, das kann ich noch überstehen (zu sich sagend).
Rupert (zu einer Magd sagend): Hol´ mir den Wiener zum Abendbrot!
Magd: Was, ich soll den oberschlauen Wiener holen? Der bleibt Gott sei Dank nur eine Nacht. Das gescheite Reden von dem könnte ich nicht länger aushalten.
(Gast kommt in die Stube)
Rupert: So setz´ dich da nieder! Da hast du einen Löffel, Knödel gibt´s heut´.
Gast: Was ist denn das? (skeptisch blickt er auf die Speise)
Bekomme ich nicht einen Teller?
Magd (zu den anderen sagend): Ha, einen eigenen Teller will der gnädige Herr aus Wien. Ja, der meint wohl er ist etwas Besonderes!
Magd (andere zurück): Was meint der denn, wer er ist! Kann froh sein, wenn er überhaupt was zum Essen kriegt.
Rupert: Na, Extrawürste gibt`s bei uns nicht! Bei uns wird aus der Schüssel gegessen. (die anderen am Tisch beginnen zu essen. Sie schmatzen und schlürfen. Der Gast ekelt sich, sieht die anderen mit verzogenem Blick abwertend an).
Rupert Wer klopft denn? Herein!
Rosa: Grüß Gott! Ich hätte gern meine Milch abgeholt!
Magd: Hiaz kimmt de schon wieder daher.
Magd:
Die und ihr Mann werden sich wohl nie ganz angewöhnen bei uns.
Magd:
Die meinen wohl, wenn sie aus Kärnten zu uns kommen, werden sie gleich von
allen mit offenen Armen aufgenommen. Na,
na, so is nit.
Magd: Was sind sie auch schon, nur Zugereiste.
Schaut nur, wie wichtig sie tut. Die meint wohl auch sie ist was besonderes.Mit ihrem Getue wird sie hier nie Anschluss finden. Ha, das wäre ja noch schöner. So läufts bei uns nicht.
Rupert (zu einer Magd sagend): Gib der Zugereisten ihr Milch, damit sie gleich wieder gehen kann (die anderen am Tisch tuscheln über sie).
Hat dein Mann schon einen Hirsch geschossen? Kann der das überhaupt?
Rosa: So eine blöde Frage. Was ähnliches könnte ich dich fragen. Hast du schon einmal eine Kuh geschlachtet? (Rupert ist baff und sagt kein Wort, sie bekommt ihre Milch und geht dankend heim und schüttelt traurig den Kopf)
Jetzt sind ich und mein Mann schon so lange hier und immer behandeln sie mich wie eine Aussätzige und machen einem das Leben schwer.
Gast (er hat bald einmal genug, es schmeckt ihm nicht): Danke, ich bin satt. Ich möchte noch einen Brief schreiben, bevor ich schlafen gehen. Wo kann ich nun schlafen?
Rupert: Im Finsteren wirst nicht viel sehen können. Strom haben wir keinen und eine Kerze kriegst nicht, sonst zündest uns noch den Stall an. Du kriegst einen Strohsack von der Gerda und sie bringt dich auch zum Stall. Um 5 Uhr in der Früh ist Frühstück, mit dem Hahnenschrei stehen wir auf.
Magd: Da fang den Strohsack, dann zeige ich dir den Stall.
(mit gebeugtem Haupt und murmelnd folgt er der Magd)
Licht aus
Gast wacht im Stall auf
Gast: Au, überall juckt es und beißt es mich. Kein Auge habe ich zugetan, schrecklich, und das laute Schnaufen der Vieh(er). Na, hoffentlich komm ich endlich auf den Pass. Meine Kärntner Freunde warten sicher schon auf mich.
Mein Magen knurrt auch schon (auf den Magen zeigend). Ich freue mich schon auf eine Semmel mit Butter und Marmelade und einen starken Kaffee.
Magd: Heute haben wir wieder viel zu tun. Wird ein starker Tag.
Rupert (die anderen sitzen schon am Tisch): So, dein Frühstück! Eine warme Milch und ein Stück Brot zum Eintunken.
Gast: Keinen Kaffee?
Rupert: So was haben wir nicht, ist ja viel zu teuer. Willst du nun die Milch oder nicht?
Gast: Ja bitte! (widerwillig sitzt er am Tisch und beobachtet die anderen, er isst langsam und fragt dann)
Wann fährt nun endlich der Bus oder ein Taxi auf den Tauern?
Rupert: Der Hans ist nach dem Frühstück bereit. Tja, Taxi gibt´s bei uns aber keines, nur mit einem Fuhrwagen kommst nach oben .
Musst noch deine Koffer holen! Die bringt er dir dann auf die Passhöhe hinauf und wirft sie dir hinaus.
Der Stoff mit sein Ochsengspann nimmt dir dann deine Koffer mit zurück zum Seekar.
Gast: Ja, aber was ist mit mir?
Rupert: Du gehst natürlich mit deine Ski. Erstens hat der Hans keinen Platz für dich. Er muss die ganze Post über den Tauern bringen.
Und zweitens könntest du dir es gar nicht leisten. Musst froh sein, wenn dein Gepäck mitgenommen wird. Kostet 1 Schilling.
Du musst gehen. Deine Felle wirst wohl mithaben.
Gast: Was, heute nach dieser schlaflosen Nacht soll ich raufmarschieren? (er beginnt zu fluchen) Himmel noch mal!
(zu sich sagend) Wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als mir die Felle auf die Ski zu schnallen.
Rupert: Sei froh, dass heute so ein schönes Wetter ist. Sonst bei Schneefall siehst keine 10 Meter vor dir den Weg.
Gast: Wie viel kriegst für die Nacht?
Rupert: Einen Schilling und wenn du wieder heim fährst, kannst wieder bei uns schlafen.
(Gast gibt ihm das Geld, schnallt die Skier auf seinen Rücken und geht angefressen fort)
Gast: Wiedersehen!
(Draußen wartet der Fuhrmann)
Fuhrmann: Gib her deine Koffer! Am Pass oben schmeiß ich sie hinaus.
Meine Rösser kommen nicht bis zum Seekar zurück. Zuviel Schnee ist da. Die würden sich die Haxn brechen.
Deine Koffer nimmt dann der Stoff mit. Er fährt dann mit dem Ochsengespann noch vorm Mittag zurück zum Seekar.
Pfiat di. An Schilling krieg ich noch (hält Hand hin)
(Gast bezahlt)
(Fuhrmann dreht sich um und sagt zu sich selbst) Na,(beißt in den Schilling) heute habe ich wieder ein gutes Geschäft gemacht (klopft sich auf die Schulter, fährt ab)
Gast (schnallt Schier an, Rucksack auf Schulter und geht los): So, gehen wir es an! (stöhnt)